Standpunkt: Argumente Klimasondervermögen IV
Standpunkt: Argumente Klimasondervermögen IV

Standpunkt: Argumente Klimasondervermögen IV

Lehren aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Bundesebene (2. Nachtragshaushalt für 2021)

Zwei Dinge sind insbesondere für Berlin von großer Bedeutung:

1. Konstruktion des Klimasondervermögens mit Zuschüssen wird vom Bundesverfassungsgericht aller Wahrscheinlichkeit nicht akzeptiert

Lässt man den Computer zählen, wie oft das BVerfG das Wort ‘Ausnahme’ in seiner Entscheidung verwendet, kommt man auf stolze 37 Erwähnungen. In Verbindung damit, dass das BVerfG erzwingen will, dass das Jährlichkeitsprinzip und das Jährigkeitsprinzip eingehalten wird, wird das BVerfG die in Berlin vorgesehene Konstruktion nicht akzeptieren.

Wie funktioniert sie: es sollen zunächst fünf, später noch einmal fünf, also insgesamt zehn Milliarden an zusätzlicher Netto-Neuverschuldung aufgenommen werden. Die Mittel sollen dann über 20 Jahre Jahre (also von 2025 bis 2045) für zusätzliche Klimainvestitionen ausgegeben werden. In jedem Jahr, in dem es zu Ausgaben kommen, was also eher 25 statt 20 Jahre sein werden, und zwar jedes einzelne Jahr ab 2024, ist dann die Notlage zu erklären. Das kann sicher nicht als Ausnahme betrachtet werden. 

Es ist interessant, dass in der öffentlichen Diskussion die Handlungsmöglichkeiten weitgehend darauf verkürzt werden, entweder die Schuldenbremse auszusetzen oder die Klimainvestitionen zu streichen. Ich habe nur in einem Beitrag gelesen, dass auch die Aufstockung des Eigenkapitals öffentlicher Unternehmen in Betracht kommen kann. Das war dann aber leider gar nicht weiter ausgeführt. Wenn es z.B. zur Aufstockung des Eigenkapitals einer Förderbank geschieht, können dort viele Darlehensprogramme ausgelöst werden. Mein Vorschlag (siehe frühere Texte dieser Argumente – Serie) geht seit Monaten dahin, zumindest bis zu einer Änderung der Schuldenbremse ein solches Klimasondervermögen auf die Themen Eigenkapital und Darlehen auszurichten. Das geht gut, weil der ‘Typus der Investition’ beim Klimaschutz der der ‘vorgezogenen Investition’ ist. Lang laufende Darlehen können in Zeiten sich normalisierender Zinsen Fördervorteile erzeugen. Wenn statt 30% Zuschuss zu einer Wärmepumpen 60% an 15 jährigem zinslosem Darlehen gegeben werden, entsprechen die Finanzvorteile bei einem ratierlichen Darlehen mit 4% in etwa dem Zuschusswert. Klimaschutz Investitionen im Wohnungsbau können auch als Darlehen vergeben werden.

Bei dieser Konstruktion entsteht keine der Schuldenbremse unterliegender Fall von Neuverschuldung, da die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ja nicht in der Zukunft die Kredite zurückzahlen müssen, sondern die Investoren, die im Übrigen auch von den Investitionen in Zukunft profitieren. Also entsteht gar kein ‘Fall’ für das BVerfG.

2. In Berlin gab es den Ansatz einer gezielten höheren Schuldenaufnahme für Corona, um andere Zielsetzungen zu bedienen.

Bereits das Landesverfassungsgericht in Hessen (dort: Verfassungsgerichtshof) hatte dementgegen einen Verursachungszusammenhang eingefordert. Dieser war in Berlin von einer parlamentarischen Mehrheit zunächst nicht für nötig befunden worden wie auch von der parlamentarischen Mehrheit in Hessen, die der Verfassungsgerichtshof auf Antrag u.a. der Hessen-SPD korrigierte. Temporär wurden deshalb in Berlin nicht für Corona (einschließlich Ankurbelungsmitteln zur Wirtschaftserholung) verausgabte Mittel in eine Rücklage eingebucht. Nach Aussage des Landesrechnungshofs waren Ende 2022 davon 5,4 Mrd Euro nicht ausgegeben, also die Mehrheit der Mittel, die nach Angaben des Rechnungshofs (Jahresbericht 2022) in Sachen Neuverschuldung der Jahre 2020 und 2022 insgesamt 7,9 Mrd betrugen. Es war in Berlin geplant, diese Mittel – offiziell für Corona Zwecke – bis Ende 2022 auszugeben. Das erwies sich aber nicht als nötig. Überschlagsrechnungen zeigen, dass zwischen 3,0 und 3,3 Mrd Euro nicht benötigt wurden. Diese verbleibende Rücklage gehört zugunsten einer vorzeitigen Tilgung der aufgenommenen Mittel aufgelöst, weil für 2024 weder eine Notwendigkeit hoher Corona-Ausgaben besteht noch eine Notlage in Sachen Corona erklärt wurde. In Berlin ist bislang aber im Haushalt 2024/25 die Auflösung als allgemeine Deckungsmittel vorgesehen. Mit anderen Worten: es fehlen im Doppelhaushalt zwar nicht 60 Milliarden Euro, aber über drei Milliarden. Der Finanzsenator scheint darauf zu setzen, dass in Berlin entweder das Landesverfassungsgericht zu einer anderen Bewertung als das BVerfG kommen würde (ohne dass dafür Gründe bekannt geworden sind) oder niemand klagen kann oder klagen wird. 

Nachbemerkung 1: es ist aus meiner Sicht legitim und sinnvoll, für eine Änderung der Schuldenbremse einzutreten. Als die Schuldenbremse in der Verfassung verankert wurde, gehörte ich zu denen, die davor warnten, weil der Mechanismus zu starr sei und Investitionen in Innovation und Infrastrukturen systematisch für die Zukunft beschränkt statt ausgeweitet würden. Solange die Schuldenbremse aber in der gegenwärtigen Form im Grundgesetz steht, ist allenfalls die vielfach zelebrierte Überraschung darüber, dass das ‘Wegreden’ der Schuldenbremse nicht funktioniert und das BVerfG dem einen Riegel vorschiebt, überraschend. Dass das BVerfG mit der Überbetonung der Prinzipien von Jährlichkeit und Jährigkeit überzieht, macht umgekehrt nur deutlich, dass es alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ergreift, um Umgehungen und Missbrauch der Ausnahmeregelung von der Schuldenbremse sanktionieren zu können.

Nachbemerkung 2: Mitunter hörte man auch das Argument, dass das BVerfG auch deshalb nicht gegen Umgehung der Schuldenbremse vorgehen werde, weil es ja selbst angemahnt hatte, in Sachen Klimaschutz voranzugehen und nicht zu große Lasten nachfolgenden Generationen zu überlassen. Die beim Klimasondervermögen in Berlin vorgesehene Netto-Neuverschuldung erfordert nach der Schuldenbremse einen Tilgungsplan. Als Generation bezeichnet man üblicherweise die Menschengruppe, die in einem Zeitraum von 25 bis 30 Jahren geboren wurde. Der in Berlin vorgesehene Tilgungsplan sieht vor, dass die ersten fünf Milliarden nach einigen tilgungsfreien Jahren binnen 26 Jahren zu tilgen seien, die zweiten fünf Milliarden in den Jahren danach. Es ist also klar, dass hier allenfalls ein schwaches Argument vorgebracht wird. Die Finanzbelastung wird mindestens zwei weiteren Generationen aufgebürdet. Es gab also keinen Grund, dass das BVerfG Abstriche bei seiner Einschätzung eines Umgehungsmanövers der Schuldenbremse machen würde.

Nachbemerkung 3: dass die CDU nun auf die Idee kommt, eine Magnetschwebebahn mit Mitteln mit Zuschüssen aus dem Klimasondervermögen zu finanzieren, zeigt, dass sie das finanzieren will, was sie immer schon einmal gut fand. Es hat aber nichts mit dem Mechanismus der Schuldenbremse zu tun. Der erzwingt erstens, dass es sich um eine Klimaschutzmaßnahme handelt und zweitens, dass sie (besonders) geeignet und angemessen ist, die Klimakatastrophe zu vermeiden. Weder belegt die CDU, dass trotz des stark Energie verzehrenden Antriebs mit oszillierenden Magnetfeldern und der Bauweise CO2 eingespart werden kann noch belegt sie, dass mehr CO2 eingespart werden kann als mit anderen Maßnahmen im Verkehrsbereich wie z.B. der Umstellung der Busflotte auf E-Busse, dem Ausbau von Straßenbahnen (elektrisch) oder der S-Bahn (elektrisch). Sollte bei den letztgenannten Maßnahmen mehr CO2 je eingesetztem Euro gespart werden können, ist ihnen der Vorzug zu geben.