1. Wachsende Stadt
2. Merkmale einer erfolgreichen Stadt
3. Unsere Stadt 2030
Ein wesentliches Feld zur Verbesserung des Klimas war und ist die Neuorganisation städtischer Verkehre,
In den 20er Jahren nahmen in allen Städten Europas die Innenstadtsperrungen für den klassischen Individualverkehr zu. Mit den verbesserten Zugangsmöglichkeiten zum ÖPNV und einem deutlichen Ausbauprogramm für den ÖPNV, der Straßenbahnen und U-Bahn umfasste, war Berlin nicht unvorbereitet – auch wenn es lautstarke Diskussionen darüber gab, dass man hätte viel früher mit der erneuten Weichenstellung für den ÖPNV beginnen müssen und die Investitionen viel schneller „durchziehen“. Diese Kritik kam vielfach von denen, die in der zweiten Hälfte der 10er und in der ersten Hälfte der 20er Jahre den Ausbau von Straßen als die wesentliche Priorität gesehen hatten.
Für die deutsche Autoindustrie und die Innovationswirtschaft in Berlin wurden die 20er Jahre zu einem Jahrzehnt eines neuen Innovationsmodells. Das klassische Innovationsmodell der deutschen Autoindustrie war vorher „vertikal“ organisiert. Innovationen wurden in der Oberklasse eingeführt und wanderten von dort schrittweise in die sogenannte Mittelklasse und schließlich in die Kleinfahrzeuge. Jetzt war es umgekehrt. Die Elektrifizierung der Verkehre begann „von unten“ und dort im Übrigen (fast) ganz ohne staatliche Zuschüsse, bei Fahrrädern und Mopeds. Es zeigte sich zudem, dass die Elektrifizierung leichter bei Klein-LKWs umsetzbar war als bei Schwerverkehren, wo andere Technologien sich einen Platz erkämpften. Dies neue Innovationsmodell wurde in Berlin und anderen Städten Deutschlands mit Technischen Universitäten begeisterter aufgegriffen als von der produzierenden Industrie selbst, die eher „nachzog“. Die Talente dieses Umbaus anzuziehen, war eines der Ziele von Berlin.
Die um die die den Planeten Erde bedroht, wird auch 2030 noch in den großen Städten der Erde geschlagen und wird weitere Jahrzehnte andauern. Da die Mehrheit der Menschheit (mit steigender Tendenz) in großen Städten wohnt und gerade in den Städten (und Ländern) mit extrem hohen Ausstoß von Klimagasen die schädlichen Auswirkungen
Ein wesentliches Feld zur Verbesserung des Klimas war und ist die Neuorganisation städtischer Verkehre,
In den 20er Jahren nahmen in allen Städten Europas die Innenstadtsperrungen für den klassischen Individualverkehr zu. Mit den verbesserten Zugangsmöglichkeiten zum ÖPNV und einem deutlichen Ausbauprogramm für den ÖPNV, der Straßenbahnen und U-Bahn umfasste, war Berlin nicht unvorbereitet – auch wenn es lautstarke Diskussionen darüber gab, dass man hätte viel früher mit der erneuten Weichenstellung für den ÖPNV beginnen müssen und die Investitionen viel schneller „durchziehen“. Diese Kritik kam vielfach von denen, die in der zweiten Hälfte der 10er und in der ersten Hälfte der 20er Jahre den Ausbau von Straßen als die wesentliche Priorität gesehen hatten.
Für die deutsche Autoindustrie und die Innovationswirtschaft in Berlin wurden die 20er Jahre zu einem Jahrzehnt eines neuen Innovationsmodells. Das klassische Innovationsmodell der deutschen Autoindustrie war vorher „vertikal“ organisiert. Innovationen wurden in der Oberklasse eingeführt und wanderten von dort schrittweise in die sogenannte Mittelklasse und schließlich in die Kleinfahrzeuge. Jetzt war es umgekehrt. Die Elektrifizierung der Verkehre begann „von unten“ und dort im Übrigen (fast) ganz ohne staatliche Zuschüsse, bei Fahrrädern und Mopeds. Es zeigte sich zudem, dass die Elektrifizierung leichter bei Klein-LKWs umsetzbar war als bei Schwerverkehren, wo andere Technologien sich einen Platz erkämpften. Dies neue Innovationsmodell wurde in Berlin und anderen Städten Deutschlands mit Technischen Universitäten begeisterter aufgegriffen als von der produzierenden Industrie selbst, die eher „nachzog“. Die Talente dieses Umbaus anzuziehen, war eines der Ziele von Berlin.
Diese wissenschaftspolitische Ausrichtung war bereits damals eingebettet in die gesellschaftspolitische Ausrichtung des weltoffenen Berlins, einer Stadt, die Talente anziehen und ausbilden will und ihnen auch dauerhaft einen Platz bieten will und kann. Das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut setzte Berlin erstmals 2019 auf Platz 1 der deutschen Städte in einer Betrachtung der Wettbewerbsfähigkeit, die aber den Trend der Entwicklung und die Beliebtheit mit einbezieht. Was schon im Mittelalter Städte attraktiv machte, zusammengefasst in der Erkenntnis „Stadtluft macht frei“, macht kann im 21. Jahrhundert durch die Kombination der beiden Begriffe „Weltoffenheit“ und „Anziehen von Talent“ beschrieben werden.Die Chance von Berlin liegt in der Kombination von beidem, weil in einer Welt, in der autoritäre Systeme und autoritäre Regierungsstile an Bedeutung gewinnen, auch der sogenannte „Krieg um die Talente“ (war for talents) mit Geld, Drohung und Attraktivität ausgetragen wird. Eine vergleichsweise arme Stadt wie Berlin kann gegen Geld und Drohung nur mit Weltoffenheit gewinnen.
Zum Anziehen von Talenten gehört aber ein gesamtes sogenanntes Öko-System,
Im Jahr 2030 zeigt sich, dass Berlin fest als ein, wenn nicht der, führende Hochschul- und Wissenschaftsstandort etabliert ist. Ein Beleg dafür ist die Zahl der Privathochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die im letzten Jahrzehnt neu und dauerhaft nach Berlin gekommen sind.
Es ist Berlin gelungen, sich als führende Stadt in Deutschland und eine Spitzenstadt in Europa für Start- Ups zu behaupten und ist noch mehr die Stadt geworden, in der neue Firmen starten, in der Ausgründungen aus Hochschulen und Firmen stattfinden und in die Innovationsbereiche bestehender Firmen verlagert werden. Befragte Firmen sagen oft, Berlin „is the place to be“. Betrachtet man die Sektoren, sticht die Digitalisierung hervor. Zu fast allen relevanten Themen der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft werden Modelle in Berlin umgesetzt oder ist Berlin einer der Test- und Modellmärkte.
2019 waren von den etwa 500 000 Beschäftigten des Bundes ca. 420 000 in Berlin angesiedelt, aber 90 000 in Nordrhein-Westfalen. Das belegte, dass die Hauptstadtfunktion in Berlin 30 Jahre nach dem Fall der Mauer noch nicht voll angekommen war. Richtig bleibt, dass die Entscheidung für Berlin als Hauptstadt den wichtigsten wirtschaftlichen Impuls für die gesamte Region („Hauptstadtregion“) und letztlich ganz Ost-Deutschland gegeben hat und ohne diesen Impuls die wirtschaftliche Entwicklung im Osten viel schwieriger verlaufen wäre. Nach Jahren massiver Abwanderung aus Ostdeutschland wies zunächst Berlin Zuzüge auf. Deutlich später schlug die Entwicklung auch für Ost-Deutschland ohne Berlin um und wies mehr Zu- als Wegzüge auf, nämlich seit Ende der 10er / Anfang der 20er Jahre. Diese Entwicklung belegte, dass der Osten Deutschlands ein eigenes Wachstumsmodell mit städtischen Wachstumskernen entwickelte, wenn auch noch immer ein Arbeitsleben nach der deutschen Einheit die Arbeitseinkommen, geschweige denn die Vermögen mit dem Westen keineswegs gleichgezogen hatten.
Berlin hatte sich in den 20er Jahren auf zwei Ansatzpunkte konzentriert
Die Anstrengungen Berlins als Land und als Kommune bei der Digitalisierung halfen dabei. Bei vielen Digitalisierungsvorhaben kam es darauf an, Berlin als Hauptstadt der digitalen Verwaltung zu entwickeln und Anwendungen in der erforderlichen Breite auf allen staatlichen Ebenen zu pilotieren und umzusetzen. Insgesamt gelang es bereits in den ersten Jahren des 20er Jahrzehnts, fast alle Massendienstleistungen der Verwaltung mit einem parallelen IT-gestützten Angebot zu versehen. Bis 2025 wurde es von einem Drittel der Bevölkerung systematisch genutzt, um Gänge zum Bürgeramt abzubauen oder ganz zu vermeiden. Diese Zahl stieg auf zwei Drittel bis 2030.
In der Phase des Berlin-Bashings, des öffentlichen und medialen Eindreschens auf Berlin, vollzog sich der Aufholprozess Berlins und das Einnehmen von Spitzenpositionen durch Berlin öffentlich relativ unbeachtet. Ein Beispiel dafür war die Finanzverwaltung, die sich in einem „Benchmark Prozess“ in den ersten 12 Jahren des Jahrhunderts bereits eine Spitzenposition in Deutschland erarbeitete. Danach wandte sie sich zäh, aber letztlich erfolgreich wichtigen Themen der Steuervermeidung und – hinterziehung zu, das wichtigste war das Durchsetzen regulärer Besteuerung für online-Aktivitäten vergleichbar mit der Realwirtschaft. Die Auseinandersetzung fast aller attraktiven Städte der Welt mit den großen Internetplattformen dauerte letztlich über ein Jahrzehnt, aber Berlin konnte wichtige Beiträge liefern und bei einigen Themen auch eine Vorreiter-Rolle spielen. Auch das gehörte zu einem neuen Verständnis der Hauptstadtfunktion und dem Annehmen derselben.
Die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts zeigten, dass das Pendel zurückschwingt. Galt es Anfang dieses Jahrhunderts als ausgemacht, dass Private auch Infrastruktur als die öffentliche Hand, machte sich nicht nur in Großbritannien (Wassernetze), sondern auch in Deutschland eine Ernüchterung breit. Allerdings, auch das kann vielleicht gar nicht überschätzt werden, setzte sich auch die Erkenntnis durch, dass öffentliche Unternehmen effizient, effektiv, produktiv und innovativ arbeiten müssen. Und dass genau eine solche Ausrichtung im Interesse der Bevölkerung liegt.
Nach der Rückgängigmachung der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe von Berlin gelang es, die jährlichen Investitionen fast zu verdoppeln, die Preise abzusenken (dabei war der Druck des Kartellamts sicher hilfreich) und die Preise dann bis 2030 in etwa konstant zu halten.
Für die kommunale Energieversorgung und ihren Beitrag zur Vermeidung der Klimakatastrophe erwies sich die Sektorkopplung als Schlüssel. Nur mit einer intelligenten Verknüpfung der Sektoren gelang es, den weiteren Ausbau alternativer Stromerzeugung in Deutschland voran zu bringen und gleichzeitig sinnvoll zu nutzen. Statt Abregeln oder Abgabe zu mitunter negativen Preisen an Nachbarländer trat die Nutzung für „Power to x“ in den Mittelpunkt. In Berlin waren das insbesondere „Power to Gas“ und „Power to Heat“. Um diese Entwicklung zu erreichen und die zu verdoppeln erwies sich die Re-Kommunalisierung der Netze in Berlin als sinnvoll – in der teilweise stürmisch geführten Diskussion für manche sogar als notwendig.
Gleichzeitig zeigte sich, dass es Berlin auch unter Ausnutzung seiner Größe als einwohnerstärkste Kommune in Deutschland, in Partnerschaften mit industriellen, privaten Energieerzeugern und – versorgern gelang, dezentrale Mieterstrommodelle, dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsmodelle, Energieeinsparprogramme und Wärmedämmung so wirkungsvoll aufzulegen, dass der Energiebedarf trotz steigender Einwohnerzahlen und wachsender Zahl an Arbeitsplätzen sank. Dadurch konnte die nachhaltigere Energieerzeugung wirkungsvoll gehebelt werden. Insgesamt gelang es im Jahrzehnt bis 2030 die Energiewendegeschwindigkeit um 50% zu erhöhen, die zweiten 50% sind für das Jahrzehnt bis 2040 geplant.
Es gab in Berlin in den 20er Jahren keine fruchtlose Diskussion darüber, ob Investitionen in die Adaption (adaption) zur Aufheizung der Erdatmosphäre nicht die erforderlichen Investitionen zur Vermeidung (mitigation) der Aufheizung blockieren und verdrängen. Die Stadt wandte sich bei der Adaption offensichtlichen Feldern wie Wasserauffangbecken zur Begrenzung der Schäden bei Starkregen und erhöhter Robustheit von Infrastrukturen bei starken Wetterausschlägen zu. Berlin ging damit über den nationalen Klimaplan hinaus und erhöhte gleichzeitig seine relative Lebensqualität.
Der Gesundheitssektor in seiner ganzen Breite, von der Forschung über die Medizintechnik, die Medizin-Digitalisierung, die Pharmaindustrie bis hin zu Anwendung neuer Therapien im öffentlichen Gesundheitssystem mit Ausstrahlung in die ganze Welt ist vielleicht der Sektor, in dem Berlin am besten der Durchbruch in eine neue Entwicklung gelang. Sie ist keine klassisch-industrielle Entwicklung mehr, aber eine industrienahe und eine mit modernsten Dienstleistungen.
Der Gesundheitssektor in seiner ganzen Breite, von der Forschung über die Medizintechnik, die Medizin-Digitalisierung, die Pharmaindustrie bis hin zu Anwendung neuer Therapien im öffentlichen Gesundheitssystem mit Ausstrahlung in die ganze Welt ist vielleicht der Sektor, in dem Berlin am besten der Durchbruch in eine neue Entwicklung gelang. Sie ist keine klassisch-industrielle Entwicklung mehr, aber eine industrienahe und eine mit modernsten Dienstleistungen.
4. Vision kann Wirklichkeit werden
Bei kaum einem anderen Thema klaffen die Meinungen so weit auseinander wie bei der Sicherheit, der inneren Sicherheit, dem Schutz vor An- und Übergriffen. Die statistische Lage ist eindeutig, in den Zehnerjahren des 21. Jahrhunderts nahmen die schweren Verbrechen (wie Mord) in Berlin kontinuierlich ab – und das setzte sich auch in den 20er Jahren fort.
Viele Anstrengungen wandte Berlin insbesondere für eine verstärkte Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit wie am Alexanderplatz, am Kottbusser Tor und anderen Schwerpunkten auf. Die entscheidende Orientierung aber vollzog sich den mit dem Fokus der Beobachtung, gezielter Aktionen und des polizeilichen Zugriffs auf Organisierte und Clan-Kriminalität. Neu geschaffene rechtliche Möglichkeiten wie die der Beschlagnahmung von Wirtschaftsgut wurden in Berlin eingesetzt und auch durchgesetzt. Die Strukturen der Organisierten Kriminalität rückten in den Blickpunkt der Ermittlung. Eine neuartige erweiterte Zusammenarbeit der staatlichen Behörden konnte erreicht werden frei nach dem Ansatz, dass in Chicago seinerzeit Al Capone Steuerhinterziehung als Erstes nachgewiesen werden und der weltweit bekannte Anführer der Mafia so dingfest gemacht werden konnte. Auch der Verfassungsschutz wurde in Berlin darauf ausgerichtet. Die Debatte um den politischen Islamismus erreichte ihren Höhepunkt mit den kriegerischen Auseinandersetzungen um den vom IS ausgerufenen „Heiligen Kriege“ im mittleren Osten in den Zehnerjahren. Systematisch warb der IS erst Sympathisanten für den Krieg in Syrien und im Irak an. Nach der militärischen Niederlage dort kehrten in beachtlicher Zahl sogenannte Rückkehrer in europäische Länder zurück. Ein Teil von ihnen stellte als „Schläfer“ oder potentielle Attentäter eine Bedrohung dar. Vor diesem Hintergrund wurde die Debatte um Integration in den 20er Jahren neu geführt. Im Ergebnis setzte sich in Berlin einerseits sehr wohl eine Willkommenskultur durch, die Weltoffenheit über Abgrenzung stellte. Andererseits wurden Religionsgemeinschaften und politische Zusammenschlüsse nachdrücklich auf das Grundgesetz verpflichtet und damit die Grenzen der Toleranz im Interesse der Gesamtgesellschaft verbindlich.
Auch 2030 gilt: „Eine Großstadt wir nie ein Ponyhof“. Es gilt aber auch: eine große Stadt muss nicht zwangsläufig ein Moloch sein.
Vielleicht ist Konsens ein bisschen zu weit gegriffen, aber das wichtigste politisch breit getragene Leitmotiv von Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Institutionen und der deutlichen Mehrheit der politisch Gewählten ist bis 2030: Berlin ist und bleibt weltoffen. In der Phase des Vormarschs rechtsextremer Auffassungen in Europa und Deutschland war das nicht selbstverständlich und musste seit der zweiten Hälfte der Zehnerjahre im 21. Jahrhundert praktisch täglich neu erstritten und verteidigt werden. Es zahlte sich aber auch aus, wie einige wenige von vielen Beispielen zeigen:
Ausdruck dieses politischen Leitmotivs war, dass es in Berlin bis 2030 zu keiner Zeit zu einem Regierungsbündnis unter Beteiligung von rechts-außen Parteien kam. Das war nicht überall in Deutschland so. Umgekehrt gab es eine ständige lautstarke Zivilgesellschaft, die im Rahmen außerparlamentarischer Aktivitäten den demokratischen Konsens beschwor und die Grenzlinie zu rechts-außen betonte und nicht etwa relativierte.
Ein ganz anderer Konsens trug die Stadt durch die Zehner- und abgeschwächt auch durch die 20er Jahre: Von der IHK über die Gewerkschaften bis hin zu den Kirchen und den politischen Parteien hatten alle Beteiligten schmerzhaft in den Sanierungsjahren gelernt, dass Berlin aus einer schwierigen finanziellen Lage kommend vermeiden müsse, wieder durch Überschätzung seiner Möglichkeiten und eine gehörige Portion Größenwahn erneut in eine Überschuldungssituation zu kommen. Die Lehre aus der Vergangenheit war, dass man den robusten Aufwärtstrend der Stadt pflegen und bewahren müsse – und auch etwas zu verlieren habe.
Vielleicht ist Konsens ein bisschen zu weit gegriffen, aber das wichtigste politisch breit getragene Leitmotiv von Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Institutionen und der deutlichen Mehrheit der politisch Gewählten ist bis 2030: Berlin ist und bleibt weltoffen. In der Phase des Vormarschs rechtsextremer Auffassungen in Europa und Deutschland war das nicht selbstverständlich und musste seit der zweiten Hälfte der Zehnerjahre im 21. Jahrhundert praktisch täglich neu erstritten und verteidigt werden. Es zahlte sich aber auch aus, wie einige wenige von vielen Beispielen zeigen:
Ausdruck dieses politischen Leitmotivs war, dass es in Berlin bis 2030 zu keiner Zeit zu einem Regierungsbündnis unter Beteiligung von rechts-außen Parteien kam. Das war nicht überall in Deutschland so. Umgekehrt gab es eine ständige lautstarke Zivilgesellschaft, die im Rahmen außerparlamentarischer Aktivitäten den demokratischen Konsens beschwor und die Grenzlinie zu rechts-außen betonte und nicht etwa relativierte.
Ein ganz anderer Konsens trug die Stadt durch die Zehner- und abgeschwächt auch durch die 20er Jahre: Von der IHK über die Gewerkschaften bis hin zu den Kirchen und den politischen Parteien hatten alle Beteiligten schmerzhaft in den Sanierungsjahren gelernt, dass Berlin aus einer schwierigen finanziellen Lage kommend vermeiden müsse, wieder durch Überschätzung seiner Möglichkeiten und eine gehörige Portion Größenwahn erneut in eine Überschuldungssituation zu kommen. Die Lehre aus der Vergangenheit war, dass man den robusten Aufwärtstrend der Stadt pflegen und bewahren müsse – und auch etwas zu verlieren habe.
5. Skizze für einen Klimafonds
Die KfW hat im Herbst 2021 eine Studie zu den erforderlichen Investitionen in Deutschland vorgestellt, um das Land bis 2045 klimaneutral werden zu lassen. Die Investitionen insgesamt werden auf 5000 Milliarden Euro geschätzt, der darin enthaltene zusätzliche Investitionsbedarf wird mit 1900 Milliarden Euro angegeben. Geht man – vereinfacht – davon aus, dass der ‘normale’ Investitionsbedarf sich so auf private Investitionen und Investitionen des öffentlichen Sektors aufteilt, dass er mit der ‘normalen’ Entwicklung der Haushalte gestemmt werden kann, verbleiben zusätzliche Investitionen von 1900 Milliarden, die gesondert erbracht werden müssen. Dabei kann ein Klimafonds eine wichtige Rolle spielen. Wiederum vereinfacht soll angenommen werden, dass für Berlin ein Investitionsbedarf entsprechend des Königsteiner Schlüssels entsteht. Dieser liegt (2019) bei 5,19% der deutschen Investitionen bei einem Bevölkerungsanteil von 4,41% – was etwa 99 Milliarden Euro entspricht, verteilt auf 20 Jahre also etwa 5 Milliarden Euro pro Jahr.
Die Bruttoanlageinvestitionen des Staates Deutschland betrugen (2022) 101 Milliarden Euro, die der nicht-staatlichen Sektoren 771 Milliarden Euro. Die staatlichen Investitionen betragen also 11,6% der Gesamtinvestitionen. Rundet man das auf 12%, weil vermutlich von der staatlichen Seite Anreize für die Privatinvestitionen notwendig werden, geht es in Berlin um die Größenordnung (und mehr als eine Plausibilisierung kann es hier nicht sein) der zusätzlichen öffentlichen Klimainvestitionen von 590 Millionen Euro pro Jahr.
Mit den ersten 5 Milliarden eine Klimasondervermögens erzielt man also eine Reichweite von 8,5 Jahren, mit 10 Milliarden die gesamten 20 Jahre bis 2045 abzudecken, erfordert zudem den Ansatz, Finanzinstrumente einzusetzen, die Investionen ‚hebeln‘ oder durch Rückzahlungen revolvierend wirken, also wiederholt eingesetzt werden können. Das ist nach dem 2. Weltkrieg mit dem Marshall-Fonds überzeugend gelungen, und es wird in Berlin seit geraumer Zeit auch erfolgreich mit den EU Wirtschaftsfondsmitteln EFRE praktiziert, aus denen z.B. Fonds für Start-Ups finanziert werden, wobei die Mittel im Erfolgsfall wieder ausgereicht werden.
Angesichts der Größe und der Bedeutung der Herausforderung des klimaneutralen Deutschlands bietet sich die Bildung eines Fonds für den Zeitraum bis (mindestens) 2045 an, um die Investitionen verfolgen und ggf. nachsteuern zu können. Dabei ist zu beachten, dass es nicht nur um die Berichterstattung über die zusätzlichen Investitionen geht, sondern auch die mehr als zweieinhalb Mal so hohen ‘normalen’ Investitionen. So kann der Gefahr entgegengewirkt werden, dass ‘normale’ Investitionen nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt werden – in dem Moment, wenn der Fonds eingerichtet ist. Zudem ist die umfassende Berichterstattung erforderlich, um über etwaiges Nachsteuern sachgerecht entscheiden zu können.
Für die ‘normalen’ Investitionen kann die Berichterstattung über eine (ggf. anzupassende) Darstellung im Haushalt erfolgen. Es ist sowohl möglich, sich eine doppische wie eine kamerale Berichterstattung vorzustellen. Die Berichterstattung im Fonds kann der für den Haushalt entschiedenen Berichterstattung angepasst werden. Das erscheint sachgerecht, weil der Haushaltsanteil deutlich überwiegt.
Insbesondere in Stadtstaaten – wie Berlin und Hamburg – erscheint es zudem sinnvoll, die landeseigenen oder landesverbundenen Unternehmen in diese Berichterstattung einzubeziehen. Das wird besonders offensichtlich, insoweit sie Kredite für zusätzliche (!) Klimainvestitionen aufnehmen. Bei den landeseigenen Unternehmen gilt es zu beachten, dass ebenfalls zwischen ‚normalem’ Investitionsniveau und ‚zusätzlichen’ Investitionen unterschieden werden muss. Die normalen Investitionen können als Mittelwert der vorlaufenden drei Jahre angenommen werden. Es sollte zudem eine Vorkehrung zur Vermeidung von Doppelzählungen getroffen werden. Falls die landeseigenen Unternehmen für zusätzliche Klimainvestitionen Förderungen (Zuschuss, Darlehen, Planungskosten) aus dem Landeshaushalt oder dem Klimasondervermögen erhalten, sind die Förderbeträge abzusetzen.
Das Steuerwachstum wird nach der Finanzplanung des Landes Berlin mit einer Milliarde Euro jährlich angesetzt. Es ist zu beachten, dass angesichts der steigenden Zinssätze höhere Schuldendienste in Zukunft zu leisten sind. Die Finanzplanung (Übersicht 5) unterstellt dabei eine Zunahme der Zins-Ausgaben-Quote von 3,1% in 2023 auf 4,5% in 2026 mit vermutlich auch danach steigender Tendenz. Die Bezugsgröße (Volumen des Haushalts) beträgt dabei 34,5 Milliarden Euro bzw. 36,8 Milliarden Euro. Die Zinslast steigt also schneller als der Haushalt wächst. Ungefähr ein Fünftel des Steuerwachstums wird für die steigende Zinslast benötigt. Die roten Zahlen in der Finanzplanung zeigen, dass es ohne Sparsamkeit und Schwerpunktsetzungen im Haushalt nicht möglich sein wird, den ‚normalen‘ Haushalt ausgleichen. Das ist aber unbedingt erforderlich und auch möglich. Die Zahlen verweisen aber auch darauf, dass es eines Klimasondervermögens bedürfen wird, um die zusätzlichen Investitionen für die Klimaneutralität zu schultern.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Bundesland Berlin bereits teilweise mit den bestehenden Angeboten der Förderbank IBB den Notwendigkeiten der staatlichen Anreize für Privat-Investitionen nachkommt, erscheinen weitere – großvolumige – Investitionsmittel erforderlich.
Hier gehen die Bundesländer unterschiedliche Wege, soweit erkennbar. Die finanzschwächsten Bundesländer Saarland und Bremen haben sich dazu entschlossen, die Haushaltsnotlage wegen ‘Transformation’ und ‘Klima’ zu erklären. Das wird auch in Berlin erwogen werden. Beide Bundesländer setzen darauf, dass dieser Weg auch gerichtsfest ist, was noch nicht ausgeurteilt ist. Das Bundesverfassungsgericht befasst sich in einer Klage der CDU gegen den Bundeshaushalt mit einer Reihe damit zusammenhängender Fragen, u.a. auch der Umwidmung von Rücklagen aus der Coronazeit, sowie inwieweit jährliche Notlagenerklärungen und jährliche Veranschlagungen erforderlich sind (mündliche Verhandlung war für Juni 2023 angesetzt). Umgekehrt ist der Landeshaushalt NRW durch SPD und FDP beklagt. Dort ist – wie in Berlin – die Schuldenbremse nicht in der Landesverfassung verankert, sondern ‚nur’ in einem Gesetz. Die klagenden Fraktionen gehen davon aus, dass die Bundesregelung unmittelbar durchgreift. Ähnlich wird der Durchgriff des Grundgesetzes auch vom Volksbegehren ‚Deutsche Wohnen’ enteignen in Sachen Vergesellschaftung im Grundgesetz in Berlin angeführt.
Ob Klimathemen überhaupt mit einer Netto-Neuverschuldung nach der Schuldenbremse vereinbar sind, wird voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig entschieden werden.
In Berlin – dem größten Empfänger im Länderfinanzausgleich mit 3,6 Milliarden in 2022, gefolgt von Sachsen mit 3,3 Milliarden und Sachsen-Anhalt mit 2,0 Milliarden Euro – ist damit zu rechnen, dass eine quasi-permanente Notlagenerklärung mit einer regelmäßigen Möglichkeit der Netto-Neuverschuldung zudem Bundesländer wie Bayern motiviert, den Länderfinanzausgleich insgesamt zu beklagen. Es spricht also vieles dafür, eine schuldenbremsenverträgliche und somit soweit wie möglich ‘klagefeste’ Regelung zu finden.