Bericht: Skizze für einen Klimafonds
Bericht: Skizze für einen Klimafonds

Bericht: Skizze für einen Klimafonds

In den kommenden Wochen und Monaten wird über das ‚Ob‘ und ggf. auch das ‚Wie‘ eines Klimafonds in Berlin zu entscheiden sein. Da in der politischen Gesamtsituation in Deutschland vielfach öffentliche Haushalte beklagt werden, ist auch damit zu rechnen, dass es in Berlin zu einer Klage kommt. Es spricht also vieles dafür, eine Aufstellung zu wählen, die verträglich ist mit der Schuldenbremse.

Investitionsbedarf

Die KfW hat im Herbst 2021 eine Studie zu den erforderlichen Investitionen in Deutschland vorgestellt, um das Land bis 2045 klimaneutral werden zu lassen. Die Investitionen insgesamt werden auf 5000 Milliarden Euro geschätzt, der darin enthaltene zusätzliche Investitionsbedarf wird mit 1900 Milliarden Euro angegeben. Geht man – vereinfacht – davon aus, dass der ‘normale’ Investitionsbedarf sich so auf private Investitionen und Investitionen des öffentlichen Sektors aufteilt, dass er mit der ‘normalen’ Entwicklung der Haushalte gestemmt werden kann, verbleiben zusätzliche Investitionen von 1900 Milliarden, die gesondert erbracht werden müssen. Dabei kann ein Klimafonds eine wichtige Rolle spielen. Wiederum vereinfacht soll angenommen werden, dass für Berlin ein Investitionsbedarf entsprechend des Königsteiner Schlüssels entsteht. Dieser liegt (2019) bei 5,19% der deutschen Investitionen bei einem Bevölkerungsanteil von 4,41% – was etwa 99 Milliarden Euro entspricht, verteilt auf 20 Jahre also etwa 5 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Bruttoanlageinvestitionen des Staates Deutschland betrugen (2022) 101 Milliarden Euro, die der nicht-staatlichen Sektoren 771 Milliarden Euro. Die staatlichen Investitionen betragen also 11,6% der Gesamtinvestitionen. Rundet man das auf 12%, weil vermutlich von der staatlichen Seite Anreize für die Privatinvestitionen notwendig werden, geht es in Berlin um die Größenordnung (und mehr als eine Plausibilisierung kann es hier nicht sein) der zusätzlichen öffentlichen Klimainvestitionen von 590 Millionen Euro pro Jahr.

Reichweite eines Fonds

Mit den ersten 5 Milliarden eine Klimasondervermögens erzielt man also eine Reichweite von 8,5 Jahren, mit 10 Milliarden die gesamten 20 Jahre bis 2045 abzudecken, erfordert zudem den Ansatz, Finanzinstrumente einzusetzen, die Investionen ‚hebeln‘ oder durch Rückzahlungen revolvierend wirken, also wiederholt eingesetzt werden können. Das ist nach dem 2. Weltkrieg mit dem Marshall-Fonds überzeugend gelungen, und es wird in Berlin seit geraumer Zeit auch erfolgreich mit den EU Wirtschaftsfondsmitteln EFRE praktiziert, aus denen z.B. Fonds für Start-Ups finanziert werden, wobei die Mittel im Erfolgsfall wieder ausgereicht werden.

Fokus Klima für den Fonds zielführend

Angesichts der Größe und der Bedeutung der Herausforderung des klimaneutralen Deutschlands bietet sich die Bildung eines Fonds für den Zeitraum bis (mindestens) 2045 an, um die Investitionen verfolgen und ggf. nachsteuern zu können. Dabei ist zu beachten, dass es nicht nur um die Berichterstattung über die zusätzlichen Investitionen geht, sondern auch die mehr als zweieinhalb Mal so hohen ‘normalen’ Investitionen. So kann der Gefahr entgegengewirkt werden, dass ‘normale’ Investitionen nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt werden – in dem Moment, wenn der Fonds eingerichtet ist. Zudem ist die umfassende Berichterstattung erforderlich, um über etwaiges Nachsteuern sachgerecht entscheiden zu können. 

Für die ‘normalen’ Investitionen kann die Berichterstattung über eine (ggf. anzupassende) Darstellung im Haushalt erfolgen. Es ist sowohl möglich, sich eine doppische wie eine kamerale Berichterstattung vorzustellen. Die Berichterstattung im Fonds kann der für den Haushalt entschiedenen Berichterstattung angepasst werden. Das erscheint sachgerecht, weil der Haushaltsanteil deutlich überwiegt.

Landeseigene Unternehmen in Berichterstattung einbeziehen

Insbesondere in Stadtstaaten – wie Berlin und Hamburg – erscheint es zudem sinnvoll, die landeseigenen oder landesverbundenen Unternehmen in diese Berichterstattung einzubeziehen. Das wird besonders offensichtlich, insoweit sie Kredite für zusätzliche (!) Klimainvestitionen aufnehmen. Bei den landeseigenen Unternehmen gilt es zu beachten, dass ebenfalls zwischen ‚normalem’ Investitionsniveau und ‚zusätzlichen’ Investitionen unterschieden werden muss. Die normalen Investitionen können als Mittelwert der vorlaufenden drei Jahre angenommen werden. Es sollte zudem eine Vorkehrung zur Vermeidung von Doppelzählungen getroffen werden. Falls die landeseigenen Unternehmen für zusätzliche Klimainvestitionen Förderungen (Zuschuss, Darlehen, Planungskosten) aus dem Landeshaushalt oder dem Klimasondervermögen erhalten, sind die Förderbeträge abzusetzen.

Steuerwachstum ermöglicht Finanzierung der ‘normalen’ Investitionen

Das Steuerwachstum wird nach der Finanzplanung des Landes Berlin mit einer Milliarde Euro jährlich angesetzt. Es ist zu beachten, dass angesichts der steigenden Zinssätze höhere Schuldendienste in Zukunft zu leisten sind. Die Finanzplanung (Übersicht 5) unterstellt dabei eine Zunahme der Zins-Ausgaben-Quote von 3,1% in 2023 auf 4,5% in 2026 mit vermutlich auch danach steigender Tendenz. Die Bezugsgröße (Volumen des Haushalts) beträgt dabei 34,5 Milliarden Euro bzw. 36,8 Milliarden Euro. Die Zinslast steigt also schneller als der Haushalt wächst. Ungefähr ein Fünftel des Steuerwachstums wird für die steigende Zinslast benötigt. Die roten Zahlen in der Finanzplanung zeigen, dass es ohne Sparsamkeit und Schwerpunktsetzungen im Haushalt nicht möglich sein wird, den ‚normalen‘ Haushalt ausgleichen. Das ist aber unbedingt erforderlich und auch möglich. Die Zahlen verweisen aber auch darauf, dass es eines Klimasondervermögens bedürfen wird, um die zusätzlichen Investitionen für die Klimaneutralität zu schultern.

Zusätzliche Investitionen ermöglichen

Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Bundesland Berlin bereits teilweise mit den bestehenden Angeboten der Förderbank IBB den Notwendigkeiten der staatlichen Anreize für Privat-Investitionen nachkommt, erscheinen weitere – großvolumige – Investitionsmittel erforderlich.

Hier gehen die Bundesländer unterschiedliche Wege, soweit erkennbar. Die finanzschwächsten Bundesländer Saarland und Bremen haben sich dazu entschlossen, die Haushaltsnotlage wegen ‘Transformation’ und ‘Klima’ zu erklären. Das wird auch in Berlin erwogen werden. Beide Bundesländer setzen darauf, dass dieser Weg auch gerichtsfest ist, was noch nicht ausgeurteilt ist. Das Bundesverfassungsgericht befasst sich in einer Klage der CDU gegen den Bundeshaushalt mit einer Reihe damit zusammenhängender Fragen, u.a. auch der Umwidmung von Rücklagen aus der Coronazeit, sowie inwieweit jährliche Notlagenerklärungen und jährliche Veranschlagungen erforderlich sind (mündliche Verhandlung war für Juni 2023 angesetzt). Umgekehrt ist der Landeshaushalt NRW durch SPD und FDP beklagt. Dort ist – wie in Berlin – die Schuldenbremse nicht in der Landesverfassung verankert, sondern ‚nur’ in einem Gesetz. Die klagenden Fraktionen gehen davon aus, dass die Bundesregelung unmittelbar durchgreift. Ähnlich wird der Durchgriff des Grundgesetzes auch vom Volksbegehren ‚Deutsche Wohnen’ enteignen in Sachen Vergesellschaftung im Grundgesetz in Berlin angeführt.

Ob Klimathemen überhaupt mit einer Netto-Neuverschuldung nach der Schuldenbremse vereinbar sind, wird voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig entschieden werden.

In Berlin – dem größten Empfänger im Länderfinanzausgleich mit 3,6 Milliarden in 2022, gefolgt von Sachsen mit 3,3 Milliarden und Sachsen-Anhalt mit 2,0 Milliarden Euro – ist damit zu rechnen, dass eine quasi-permanente Notlagenerklärung mit einer regelmäßigen Möglichkeit der Netto-Neuverschuldung zudem Bundesländer wie Bayern motiviert, den Länderfinanzausgleich insgesamt zu beklagen. Es spricht also vieles dafür, eine schuldenbremsenverträgliche und somit soweit wie möglich ‚klagefeste‘ Regelung zu finden.

Schuldenbremsenverträgliche Lösung für den Klimafonds

Eine schuldenbremsenverträgliche Lösung könnte so aussehen

  • dass auf klimarelevante Investitionen abgezielt wird
  • dass die Zusätzlichkeit dokumentiert werden muss
  • dass Ausgabenzwecke insbesondere sind der Erwerb von Unternehmenswerten (das spielt in Berlin eine Rolle beim Gas- und beim Fernwärmenetz, die im Land mit Abstand größten Beiträge zum Heizen liefern und insoweit eine CO2-Verringerung bei der Erzeugung ganz wesentliche Auswirkungen auf die Klimaneutralität hat, die Interventionsbedärfe bei den Endverbrauchern deutlich reduziert) und
  • Darlehensprogramme, mit denen Bundesprogramme zur Modernisierung im Wohnungsbestand, aber auch zum Aufbau klimaneutraler ÖPNV- und Fahrzeugflotten z.B. durch zinslose Darlehen verbessert werden.

Darlehensprogramme können durch die Landesförderbank unabhängig von der Schuldenbremse werden

Im Kompendium des Bundesfinanzministeriums zur Schuldenbremse heißt es: ‘Auch die Vergabe von Darlehen führt zu keiner Beeinflussung der strukturellen NKA (Nettokreditaufnahme, MK), da diese gleichzeitig mit einem Aufbau von Forderungen verbunden sind.’ (S. 8, Abschnitt 2.4) Die Betrachtungen für Anteilserwerb und das Ausreichen von Darlehen sind vergleichbar:

  1. Ausgaben zum Erwerb von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu Marktpreisen ohne spekulative Überhöhung führen zu keiner Erhöhung der Nettokreditaufnahme, weil ein grundsätzlich wieder veräußerbarer Wert gebildet wird.
  2. Beim Ausreichen von Darlehen eine Forderung in gleicher Höhe, was auch bei zinslosen oder niedrig verzinsten Darlehen anwendbar ist.

Die Förderbanken der Bundesländer wie die IBB können die Länder dabei unterstützen und – z.B. in Form eines Treuhandvermögens – ausgereichte Darlehen langfristig betreuen und vor der Ausreichung auch sinnvoll prüfen. Da Klimainvestitionen in vielen Fällen vorgezogene Investitionen darstellen, die wirtschaftliche Komponenten enthalten oder insgesamt wirtschaftlich sind, sind Förderdarlehen vermutlich das beste Element, mit dem zusätzliche Investitionen im Rahmen der Schuldenbremse verwirklicht werden können.