Berlin ist eine wachsende Stadt – auch für Steglitz-Zehlendorf wird ein Bevölkerungszuwachs vorhergesagt. Zu einem guten Zusammenleben, Wohnen und Arbeiten gehört auch eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur, insbesondere der öffentliche Nahverkehr muss „mitwachsen“.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Steglitz Straßenbahnlinien, z.B. die sogenannte „Grunewaldbahn“, welche in den 1960er Jahren nach der Teilung der Stadt stillgelegt wurde. Nun ist im Gespräch, die Straßenbahn in Steglitz mit einer Verbindung zum Alexanderplatz wieder aufleben zu lassen. Ist dies eine gute Lösung für den Bezirk? Wo fehlt es, wo gibt es Probleme und was wäre alternativ denkbar?
Über diese und weitere Fragen rund um „ÖPNV, Infrastruktur und Verkehr“ in Steglitz-Zehlendorf diskutierte Matthias Kollatz-Ahnen (MdA) beim Roten Tisch mit Regine Günther (parteilos, für Bündnis 90/Die Grünen), Berliner Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.
In vielen europäischen Ländern gebe es eine Renaissance der Straßenbahn, so Matthias Kollatz-Ahnen: In Berlin wurde in den 1980er Jahren das erste Mal darüber gesprochen, aktuell setzen insbesondere Frankreich und Spanien (z.B. in Barcelona) auf ein Verkehrs-Mischkonzept inkl. Straßenbahnen. Der Grund: Straßenbahnen sind gut finanzierbar und ein funktionales Verkehrsmittel.
Die Rot-Rot-Grüne Koalition in Berlin hat 2016 mit dem Koalitionsvertrag ebenfalls eine Förderung des Ausbaus der Straßenbahn als eine wichtige Maßnahme im Gesamt-Verkehrskonzept beschlossen. Die Straßenbahn ist im Bau erheblich günstiger als z.B. der Bau neuer U-Bahnlinien und auch in Deutschland gibt es wie z.B. in Karlsruhe überwiegend positive Erfahrungen mit diesem Verkehrsmittel. Für Steglitz ist eine Verbindung vom Alexanderplatz über Potsdamer Platz und Innsbrucker Platz bis zum Rathaus Steglitz geplant um z.B. die Buslinien M48 und M85 sowie die U2 zu entlasten. Wie die Trasse künftig verlaufen wird und ob es z.B. ein eigenes Gleisbett für die Tram nach Steglitz geben soll, steht noch nicht fest. Derzeit läuft die Ausschreibung für die Teilstrecke vom Alexanderplatz bis zum Potsdamer Platz, 2019 werden Gutachten für den Rest der Strecke bis nach Steglitz erwartet. Es müsse insgesamt bei diesem Projekt mit einer Laufzeit von etwa 10 Jahren gerechnet werden, insbesondere wenn man die Bevölkerung einbeziehe. Dies ist laut Senatorin Günther für alle Projekte sehr wichtig, es ginge schließlich darum, „Das Herz dieser Stadt“ zu verändern.
Die Philosophie, die hinter dem neuen Berliner Verkehrskonzept steht, basiert zum Einen auf den Prognosen zur wachsenden Stadt: Alte Verkehrskonzepte haben ausgedient, sie können mit dem erwarteten Bevölkerungszuwachs nicht mithalten. Mehr Autos würden z.B. zukünftig eher zu Immobilität und Stillstand führen, so Senatorin Günther. Zum Anderen orientiert sich das Konzept an bestehenden Problemen und der Frage, wie ein integriertes Modell entwickelt werden kann. Im Moment ist Berlin von einer unausgewogenen Infrastruktur geprägt: Es gibt wenig Infrastruktur für Fahrradfahrer, vieles ist auf den Autoverkehr ausgelegt und es wurde bisher häufig nur bis zur Stadtgrenze gedacht und damit wenig für die Pendler aus und nach Brandenburg getan. Die Straßenbahn ist hier nur ein Baustein von vielen, es sei wichtig, immer von Fall zu Fall zu prüfen, welches Verkehrsmittel passend sei. Der Schwerpunkt in Berlin soll künftig jedoch auf dem Aufbau von ÖPNV und der Nutzung von Fahrrädern liegen. Auch arbeite man stärker mit dem Berliner Umland zusammen, kürzlich ist das Projekt i2030 zwischen Berlin, Brandenburg und der Deutschen Bahn gestartet worden, um z.B. über eine Reaktivierung der Potsdamer Stammbahn zu verhandeln.
Wichtig sei in jedem Fall, so Senatorin Günther, mitzudenken, was für Auswirkungen eine beschlossene Verkehrsmaßnahme auf weitere Projekte habe, der innerstädtische Raum müssen zusammengedacht und als Ganzes geplant werden, um negative Wechselwirkungen und Fehlplanungen auszuschließen. Auch sei eine Nutzung von vorhandenen Vorratsbauten (z.B. bereits gebaute, nicht angebundene U-Bahnhöfe) immer gut abzuwägen – nicht immer sei deren Nutzung sinnvoll oder ein Lückenschluss profitabel finanzierbar.
Natürlich gebe es Defizite und einiges, was nicht gut funktioniere, wie z.B. die Tatsache, dass stark frequentierte S-Bahn-Linien zum Teil eingleisig verlaufen würden. Hier arbeite man an Lösungen, aber auch hier gelte es, eventuelle Maßnahmen sorgfältig in das Konzept für die gesamte Stadt einzuplanen. Senatorin Günther ist sich jedoch sicher, dass – wenn der derzeitige Kurs in der Verkehrspolitik beibehalten wird – diese Weichenstellung zukunftsträchtig ist und das Ziel einer sauberen, klimafreundlichen und damit lebenswerteren Stadt machbar sein kann.
Bei Verkehrspolitik geht es immer um zwei Dinge: Umweltschutz und Mobilität. Wir leben in einer spannenden Zeit, in der durch die wachsende Stadt viele Chancen entstehen, auch im Bereich der Verkehrsplanung, so das Fazit des Gastgebers.