Der 37. Rote Tisch stand ganz im Zeichen der Wahlen in Amerika. Als Gesprächspartner hatte Matthias Kollatz bei diesem rein digitalen Roten Tisch Knut Dethlefsen zu Gast. Knut Dethlefsen arbeitet für die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und ist der Leiter des Washingtoner Büros. Die FES ist nicht nur in Deutschland aktiv sondern unterhält derzeit 70 Büros rund um den Erdball.
Joe Biden wird der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Biden hat als Kandidat der Mitte viele Stimmen geholt. So konnte er in den Vororten mehr Stimmen für sich gewinnen als vorherige Kandidaten und auch die Staaten des sogenannten „Rust Belt“ wie Wisconsin, Michigan und Pennsylvania wieder für die Demokraten erringen. Während Donald Trump sich selbst in den Mittelpunkt seine Kampagne rückte, stellte Biden die Sache, also seine Anliegen, wie die Bekämpfung der Corona Krise, gesellschaftlichen Ausgleich oder den Kampf gegen den Rassismus in den Vordergrund. Auf die Angriffe von Trump ging Biden kaum ein und versuchte durch Ruhe und Gelassenheit Stärke zu demonstrieren.
Insgesamt war die Wahlbeteiligung mit ca. 67 Prozent sehr hoch. Nie zuvor haben so viele Menschen ihre Stimme bei einer Wahl in den USA abgegeben. Knut Dethlefsen verwies darauf, dass dieses Mal viele Wählerinnen und Wähler das Gefühl hatten, es geht um etwas. Der Ausgang der Wahl wird entscheidend sein für die Zukunft des Landes. Joe Biden holte 80 Mio. Stimmen und somit das beste Ergebnis aller bisherigen Wahlen. Donald Trump haben 74 Mio. Menschen gewählt, also auch mehr als jemals zuvor Kandidaten der Republikaner.
Ganz vorbei sind die Wahlen allerdings noch nicht. In Georgia werden für zwei Senatssitze noch Stichwahlen im Januar 2021 durchgeführt. Sollten die Demokraten beide Sitze gewinnen, würden sie im Senat über eine hauchdünne Mehrheit verfügen. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der Vizepräsidentin. In diesem Fall ist dies das Votum von Kamala Harris. Da die Demokraten bereits im Repräsentantenhaus eine Mehrheit haben, würde die Mehrheit im Senat Joe Biden deutlich mehr Möglichkeiten bei der Umsetzung seiner Vorhaben ermöglichen. (Wie wir wissen, kam es dazu – die Woge der Erneuerung setzte sich bei diesen Senatsstichwahlen fort.)
Kamala Harris ist die erste weibliche Vizepräsidentin der USA. Sie ist in Kalifornien geboren und hat elterlicherseits indische und jamaikanische Wurzeln. Das Gespann Biden und Harris hat viele verschiedene Wählergruppen angesprochen. Ebenfalls konnte Biden seine große politische Erfahrung und professionelle Arbeitsweise als positiven Punkt herausstellen. Das steht ganz im Gegensatz zu einem auf sehr viele weiße Mitarbeiter setzenden und einen erratischen Regierungsstil pflegenden Trump.
Leider vertiefte der Wahlkampf die Spaltung der Gesellschaft beträchtlich. Während Joe Biden den Zusammenhalt in den USA stärken möchte, attackierte und diffamierte Donald Trump die Demokraten und Joe Biden persönlich. Auch nach der verlorenen Wahl gesteht Trump seine Niederlage nicht ein und spricht von einer „gestohlenen Wahl“. Mit Hilfe von Gerichten versucht er das demokratisch zustande gekommene Ergebnis anzufechten. Knut Dethlefsen verweist jedoch darauf, dass Trump bisher alle Gerichtsprozesse verloren hat und es keinen einzigen Beweis für die Behauptung der Wahlfälschung gibt. Leider verfängt diese krude Behauptung bei vielen Trump Anhängern und lässt die gesellschaftlichen Gräben weiter aufbrechen. Gleichfalls führen die Aussagen von einer „gestohlenen Wahl“ zu einem Verlust von Vertrauen in die demokratischen Institutionen Amerikas. Die Hauptaufgaben eines neuen Präsidenten Biden werden die Wiedererlangung von Vertrauen in die Regierung und die Institutionen sowie die Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung sein. (Der Rote Tisch fand lange vor dem von Trump mit herbeigeredeten „Sturm auf das Kapitol“ statt, der die Spaltung auf eine neue Spitze trieb.) Knut Dethlefsen sieht dies als schwierig an aber nicht als unmöglich. Ebenfalls wir die Bekämpfung der Corona Pandemie einen Schwerpunkt der ersten Monate Biden`s Amtszeit sein.
Die Präsidentschaft von Biden steht für komplett andere Werte als die, welche Trump sich zu Eigen machte. Biden will wieder auf Multilateralismus setzen und orientiert die USA wieder stärker als aktive Nation in der Weltgemeinschaft. Die Nominierung des neuen Außenministers unterstreicht diese Ausrichtung. Die USA werden auf ihren Führungsanspruch weiterhin bestehen, diesen aber nicht mehr einseitig durchzusetzen versuchen, sondern gemeinsam mit ihren Partnern und Verbündeten agieren. Biden erklärte bereits, dass er gleich zu Beginn der Übernahme der Amtsgeschäfte wieder dem Pariser Klimaabkommen und der WHO beitreten wird. Auch der Atom-Deal mit dem Iran soll wiederbelebt werden. Für Deutschland wird Biden zu einem verlässlicheren Ansprechpartner. Natürlich bleiben bestimmte Differenzen mit den USA bestehen wie z.B. die Diskussion um die Höhe der Militärausgaben oder Nord-Stream 2. Dennoch wird das Verhältnis beider Nationen wieder besser werden. So möchte Biden wieder mehr auf die Verbündeten Amerikas zugehen und gemeinsam mit ihnen Veränderungen voranbringen.