Der 36. Rote Tisch
Der 36. Rote Tisch

Der 36. Rote Tisch

Die Nächte werden wieder länger und auch die Tage ungemütlicher. Langsam kündigt sich der Winter an. Unter dem schlechten Wetter und den fallenden Temperaturen haben besonders diejenigen zu leiden, die sich nicht in eine gemütliche, warme Wohnung zurückziehen können. Um auch die Menschen stärker in den Blick zu nehmen, die manchmal übersehen werden, war das Thema des 36. Roten Tisches die Obdachlosigkeit in Berlin. Hierzu lud Matthias Kollatz den ehemaligen Leiter der Berliner Bahnhofsmission Dieter Puhl ein.

Dieter Puhl hat mit 35 Jahren angefangen bei der Berliner Stadtmission zu arbeiten. Er hat den Obdachlosen eine Stimme gegeben und das Thema immer wieder ins Licht der Öffentlichkeit geholt. Bekannte Persönlichkeiten wie der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey oder der Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel haben mit Dieter Puhl gemeinsam Essen an der Bahnhofsmission ausgeteilt und auf diese Weise der Obdachlosigkeit zu mehr Aufmerksamkeit verholfen.

Vor 12 Jahren stand die Bahnhofsmission vor ihrem „Aus“. Seitdem hat sich viel getan. In Berlin gibt es drei Bahnhofsmissionen am Zoo, am Ostbahnhof und am Hauptbahnhof. Diese werden seit einigen Jahren vom Land Berlin voll finanziert. Die Anzahl der hauptamtlichen Mitarbeiter konnte am Zoo von 12 auf 24 erhöht werden. Die Gäste variieren dort von 500 bis 800 Personen pro Tag. Es gibt Frühstück, Mittagessen und Abendbrot. 

Im Gespräch mit Dieter Puhl kristallisierten sich verschiedene Ursachen für die Obdachlosigkeit heraus. Schicksalsschläge oder ein Verlust des Arbeitsplatzes führen manchmal schneller zur Wohnungslosigkeit, als manch einem bewusst ist. Ebenso ermöglicht nicht jede Arbeit, davon leben zu können. Auch der Leistungsdruck und die sich immer schneller wandelnde Welt überfordern einige. Es gibt nicht nur „Hochperformer“ sondern auch Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht so leistungsstark sind. Herr Puhl wünscht sich, dass alle Menschen von ihrer Arbeit leben können. Ein Instrument hierzu hat die seinerzeitige  Bundesregierung auf Vorschlag der SPD bereits eingeführt, den Mindestlohn.

Es ist wichtig, den Menschen zu helfen, die Obdachlosigkeit zu vermeiden. Gleichfalls muss allerdings auch den bereits Betroffenen geholfen werden. Dieser Senat hat sich auf die Fahnen geschrieben, sich mehr um die Obdachlosen in Berlin zu kümmern und sie zu unterstützen, auch um wieder ein geregeltes Leben führen zu können. So haben die verschiedenen Senatsverwaltungen Programme aufgelegt, um die Obdachlosen und Wohnungslosen gezielt zu unterstützen. Aber auch ganz praktisch greift der Senat z.B. der Bahnhofsmission unter die Arme, indem er bei der Finanzierung eines Hygienezentrums hilft. Ebenfalls trägt Berlin die Mehrkosten, die durch die Corona bedingten strikteren Hygienemaßnahmen notwendig sind. Berlin ist in Deutschland leider nur eine von wenigen Städten, die so etwas macht. Um überhaupt zu wissen, wie viele Menschen in Berlin obdachlos sind, wurde 2020 eine Zählung in der ganzen Stadt durchgeführt, welche 2021 wiederholt werden soll. Somit soll besser ermittelt werden, wie hoch der Bedarf an Unterstützung und Hilfe ist. 

Dieter Puhl bedankte sich bei Matthias Kollatz und den vielen anderen Politikern, die sich um den Bereich der Obdachlosigkeit kümmern. Bis in die 70 Jahre war Obdachlosigkeit eine Ordnungswidrigkeit. Sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft blickt man heutzutage anders auf Menschen ohne feste Unterkunft. 

Herr Puhl ruft dazu auf, insbesondere im Winter auch durch die ein oder andere private Spende obdachlose Menschen zu unterstützen.