23. Rote Tisch – Gesundheit
23. Rote Tisch – Gesundheit

23. Rote Tisch – Gesundheit

Zum 23. Roten Tisch begrüßte Matthias Kollatz die Bezirksstadträtin von Steglitz-Zehlendorf für die Bereiche Jugend und Gesundheit, Carolina Böhm sowie den ehemaligen Staatssekretär für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Boris Velter.

Matthias Kollatz begann den Abend mit dem Statement, dass Gesundheit für Berlin der zweitwichtigste Cluster sei. In Berlin gibt es Institutionen und Firmen in allen Teilbereichen der Wertschöpfungskette, insbesondere der Bildung und Ausbildung, aber auch von Pharmaunternehmen. Kurz gesagt: es gibt alles. Die Krankenhäuser exportieren Gesundheit an die über 20.000 internationale Patienten jährlich. Mit der Charité steht die forschungsstärkste medizinische Hochschule in Deutschland.

Und er stellte die Frage, ob es richtig ist, dass die Gesundheit so wichtig sei? Velter antwortete mit einem klaren Ja, und fuhr dann fort, dass man global denken müsse im Gesundheitsbereich. Deutsche Medizinprodukte werden ins Ausland exportiert, von der Fa. Bayer beispielsweise. Große Industrienationen geben 10-15 % ihres Inlandssozialprodukts für Gesundheit aus. In Deutschland sind es 13-14%. In den Vereinigten Staaten sogar 15-16%. 

Berlin hat eine heterogene Sozialstruktur, ist eine stark wachsende Stadt und hat mittlerweile keinen Bettenabbau mehr. Es gab Jahrzehnte in denen die Bettenzahl mehr und mehr reduziert wurde. Früher waren die einzelnen Fälle teurer als in anderen Städten. Mittlerweile liegt Berlin im unteren Drittel. Früher glichen die Aktivitäten der Ärzte auch in Berlin einer Black Box, so Velter weiter – jeder machte was er wollte. In den letzten 15 Jahren hat sich auch das geändert. Die Absolventen entwickelten Leitlinien, englische Abhandlungen wurden besser angenommen und integriert. Und dennoch ist die Charité nur auf Platz 300 auf einem wissenschaftlichen weltweiten Ranking. In Düsseldorf, München und Heidelberg wird insgesamt mehr geforscht.

Die Refinanzierung durch die Krankenkassen ist gut angelegtes Geld, da es in die Qualität der Versorgung, wie dem Personal und den Tarifen fließt.

Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf war die Gesundheitspolitik, als Carolina Böhm Stadträtin wurde, ein neues Feld. Sie sagte, dass Gesundheitspolitik davor eigentlich auf Krankheit und Heilung konzentriert war, Vorbeugung spielte kaum eine Rolle. Die Qualitätsentwicklung, Planung und Koordinierung des öffentlichen Gesundheitswesens bestand nur aus einer viertel Stelle, heute gibt es 7 Mitarbeiter. Wichtig ist für Böhm unter anderem die Suchtprävention sowie dessen Koordination. Alkohol, harte sowie weiche Drogen und Esssüchte. Süchte im Zusammenhang mit Medienkonsum sind noch weitgehend unerforscht.

Der Campus Benjamin Franklin ist der wichtigste Faktor der bezirklichen Struktur. Deren Studenten sind sehr komplex ausgebildet, allerdings fehlt es an den Praxiserfahrungen bei Routineeingriffen. 

Steglitz-Zehlendorf ist der gesundeste Bezirk, die Menschen dort leben am längsten von allen Berliner Bezirken.

Die Kindernotaufnahme des Benjamin Franklin soll geschlossen werden. Im Bezirk regt sich Widerstand. Boris Velter zeigt Verständnis für die angedachte Schließung. 2/3 aller Kinder kommen aus der Notaufnahme wieder raus, nur bei 1/3 kommt es zu einer stationären Aufnahme. Und wenn es für Kitas nicht das überflüssige Gesundschreiben geben würde, wären auch die Arztpraxen nicht so „verstopft“. Und könnten so die Versorgung gewährleisten. Ideal wäre ein Arztbesuch und bei Bedarf eine anschließende Konsultation eines Facharztes. Darüber hinaus sieht er die Zukunft eher in Portalkliniken. D.h. eine Klinik für alle Notfälle und für chronisch Kranke, die ­eine teil- und kurzstationäre Behandlung benötigen – mit einer fächerübergreifenden Struktur. Schwere Fälle werden dann unmittelbar in spezialisierte Kliniken vermittelt. In interdisziplinären Strukturen liegt die Zukunft. 

In Bezug auf die Renditen aus Aktiengewinnen die Krankenhäuser erzielen, stellt sich die Frage wo die Grenzen liegen? Es gibt, so Velter weiter, Interessensgruppen, die von einer hohen Intransparenz profitieren. Mehr Transparenz wäre sehr wichtig.

Aber alles in Allem sind wir auf einem guten Weg. Die Digitalisierung schreitet weiter voran. Junges Startup Potential entwickelt Apps. Wichtig wäre es auch noch mehr Prävention zu betreiben. Durch die Einführung der Impfpflicht beispielsweise. 

Trotz eines Geburtenüberschusses wird Berlin älter. Ein weiterer interessanter Hinweis war, dass 50% aller Kosten in den letzten 2 Lebensjahren entstehen.

Abschließend bestand Einigkeit darüber, dass gesamtgesellschaftlich eine Bürgerversicherung mit einem einheitlichen Finanzierungssystem und einer einheitlichen Gebührenverordnung der richtige Weg ist.