Matthias Kollatz

Solide Finanzen?

In der 100 Tage-Bilanz des neuen Berliner Senats Giffey kam man ziemlich selbstbewusst über. So wusste die Morgenpost zu berichten: ‚Denn während der Sozialdemokrat Kollatz vor den Wahlen noch ein Ausgabenplus von 6% vorsah, mussten Wesener und seine Mitarbeiter das Wachstum halbieren.‘ Die Zahlen sehen aber ganz anderes aus. Der (von mir) verantwortete Haushaltsentwurf für 2022/23 des Vorgängersenats sah Ausgaben von 33,9 Milliarden für 2022 und 35,7 Milliarden Euro für 2023 vor. Der vom Giffey-Senat beschlossene Haushaltsentwurf ausweislich der Presseerklärung auf der Senatspressekonferenz 37,4 Milliarden für 2022 und 36,5 Milliarden Euro für 2023. Schon der Taschenrechner sagt einem, dass nicht um 3% gekürzt wurde, sondern um 10% (!) erhöht – im Jahr 2022, beim Jahr 2023 statt um 3% zu kürzen wurden gut 2% draufgelegt. Das Abgeordnetenhaus stockte weiter auf. Der verabschiedete Haushalt umfasst für 2022 stolze 38,7 Milliarden Euro und für 2023 kaum weniger mit 37,9 Milliarden Euro.

 

All das kreist nicht etwa um eine voraussichtlich stärkere wirtschaftliche Entwicklung. Falls es so wäre, wäre es gut, diese zu nutzen für eine Fortsetzung der ‚Investieren und Konsolidieren‘ Strategie der letzten Jahre. Ein Großteil der Erhöhungen bezieht sich aber auf ein Objekt der Begierde, nämlich die Corona Rücklage, die zur Bekämpfung von Corona aufgenommen wurde und auch nur dafür verwendet werden darf. Die Nettokreditaufnahme zur Bekämpfung von Corona betrug bis Ende 2021 bereits 7,3 Milliarden Euro, benötigt wird sicher nicht die ganze Summe, etwa 5,6 Milliarden Euro lagen deshalb Ende des Jahres in einer Rücklage. Statt das zu akzeptieren, wurde noch einer draufgesattelt und weitere 1,1 Milliarden Euro an Nettoneuverschuldung für 2022 beschlossen. Auch wenn Corona sicher nicht ‚vorbei‘ ist, lässt sich angesichts der zunehmenden Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens immer weniger eine Notsituation durch Corona begründen, die mit normalen Haushaltsmitteln nicht bekämpft werden kann. Von den rechnerisch vorhandenen 6,7 Milliarden wird kaum mehr als ein Drittel für Corona benötigt werden.

 

 Zwei Länderverfassungsgerichte haben bereits den jeweiligen Landesregierungen bescheinigt, dass das so ist, bei beiden Klagen war die AfD dabei. Der Schlüsselbegriff der Entscheidungen in Hessen und Rheinland-Pfalz ist der ‚Veranlassungszuzsammenhang‘, einmal wird höchstrichterlich festgestellt, dass ein hinreichender, das andere Mal, dass ein konkreter Veranlassungszusammenhang nicht auffindbar ist.

 

Auf Bundesebene läuft die Klage von CDUCSU gegen die Bundesregierung über die Nutzung der Rücklage von über 60 Milliarden Euro für andere Zwecke als Corona. Nehmen wir einmal an, der Klage auf Bundesebene sei Erfolg beschieden und in Berlin käme es zu einer Entscheidung entsprechend der anderer Länder – dann fehlen auf einmal über 5 Milliarden. Es wäre klug, die Verausgabung der Mittel für Zeiträume vorzusehen, in denen gerichtliche Klarheit besteht. Wenn negative Urteile ergehen, ist es erstens allemal ein Triumph für die Kläger und zweitens immer schwierig, die vorgesehenen Mittel wieder ‚einzusammeln‘.